Ein Doppelpack Stille bitte!

Warum es gut ist, unserem Gehirn regelmäßig eine Pause zu gönnen.

von Heike Wycisk

Fleißig wie die Ameisen

Was haben wir nicht unseren Tag voll gepackt. Jede Stunde, jede Minute ist durch getacktet. Schon beim Wecker klingeln stehen wir wie die blechernen Roboter auf, waschen uns (oder wer ist das dort im Spiegel?), ziehen uns was „Anständiges“ an, frühstücken fix (oder auch nicht, weil wir ja lieber 10 Minuten länger schlafen) und schleppen uns zur Arbeitsstelle. Mit Millionen anderen. Hektisch und geschäftig wie die Ameisen. Oft machen wir auch zwei Dinge gleichzeitig. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Damit man schneller fertig ist! Fertig im wahrsten Sinne des Wortes. Fix und fertig! Inzwischen dürfte ja allen bekannt sein, dass Multitasking nicht besonders effektiv ist. Das ist allerdings ein anders Thema ;-)

 

Gehirn auf Hochtouren

Unser Gehirn ist immer online und läuft auf Hochtouren. Checkliste durchgehen. Habe ich auch nichts vergessen? Unterlagen für das nächste Meeting, schnell noch ein paar von den vielen (überflüssigen?) Emails beantworten, nebenbei noch schnell die Mutter, Freund/in, Kollegen anrufen. Beim Mittagessen mit einem Kollegen das nächste Projekt durchdiskutieren. Dabei kommt ein gesundes Essen natürlich zu kurz. Wir stopfen irgendetwas essbares in uns hinein. Wenn wir überhaupt Pause machen und etwas Ordentliches essen. Die Müdigkeit, die nach dem Mittag eintritt, wird dann schnell noch mit einem oder mehreren Bechern Kaffee (oder Energiedrink? Igitt!) verscheucht. Dann fix noch den restlichen Kram erledigen. Feierabend! Jetzt noch auf dem Heimweg schnell in Überschallgeschwindigkeit durch den Supermarkt jetten und einkaufen (die Fertiggerichte sind ja sooo praktisch - aber sicher nicht lecker und gesund!). Zuhause aufräumen, ach ja und `ne Runde Sport ist ja auch so wichtig. Ein paar Gewichte stemmen oder ein paar Mal um den Block laufen. Dann ist die Pflichtaufgabe auch erfüllt. So, wie spät? Uuups, 22:00 Uhr? Na, da bleibt ja dann nicht mehr viel Zeit. Der Wecker klingelt ja wieder um 6:00 Uhr. Aber Schlaf ist ja was für Schwächlinge, oder?

 

Zur Ruhe kommen

So - oder in manchen Teilen etwas anders - sehen vermutlich viele Tagesabläufe aus. Zur Ruhe kommen bedeutet für viele, sich vor den Fernseher oder vor den Computer setzen und sich berieseln lassen. Allerdings bringt das unser Gehirn auch nicht zur Ruhe. Denn dann sind wir auch wieder vielen Eindrücken, die verarbeitet werden müssen, ausgesetzt. Das Gehirn ist nicht auf Standby, sondern immer noch im Working-Process.

Damit unser Körper zur Ruhe kommen kann, muss unser Gehirn aber auch mal ohne Eindrücke von außen bzw. mit sehr wenig Eindrücken sein dürfen. Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Es gibt so viel zu verarbeiten. Einfach nur mal den eigenen Körper wahrnehmen? Das tun wir sehr selten. Einfach mal nur atmen. Einfach mal nix sagen. Einfach mal nur spüren. Einfach nur mal STILLE! 

Aber wo finden wir das noch. Stille?

Ich bin einmal nachts wach geworden. Weil es totenstill war. Auf der Ostseeinsel Lolland in Dänemark. Ich habe nichts aber auch gar nichts gehört. Kein Atmen vom Partner. Kein Ticken einer Uhr. Keinen Vogel. Kein Blatt. Kein Wind. Nichts! Das war so ungewöhnlich, dass ich wach geworden bin. Laute Stille nennt man das wohl. Verrückt! Es war unglaublich beeindruckend. Und beunruhigend. Da stimmt doch was nicht?! Aber alles war OK. Als Stadtmensch ist man ja ständig irgendwelchen Geräuschpegeln ausgesetzt. Oder wir suchen Geräusche, weil uns Stille unheimlich vorkommt. Bei manchen Menschen dudelt ständig das Radio, weil sie Stille nicht ertragen können.

Stille kann aber sehr „fruchtbar“ sein. Viele Ideen - echte Ideen, keine Gedanken - kommen aus der Stille heraus. Aus dem nichts tun. Das Gehirn hat endlich mal Zeit auf „Cool down“ zu stellen. Die Frequenz wird gesenkt. Der Körper kann entspannen. Und wir können einfach vertrauen. Neurowissenschaftler haben inzwischen festgestellt, dass sich das Gehirn verändert, wenn wir es mal still um uns werden lassen. Atmen. Meditieren. Die graue Masse im Gehirn - genauer gesagt im Hippocampus - verdichtet sich durch das Herunterfahren. Und das ist gut! Denn schrumpft diese Substanz – z.B. durch Stress – altern wir schneller. Na, wer will das denn bitte?!

 

Also, fassen wir zusammen. Gönnen wir uns mehr Ruhe und mehr Stille dann sprießen die Ideen, wir werden konzentrierter, wir gehen gelassener mit schwierigen Situationen um und körperliche und natürlich stressbedingte Beschwerden lassen sich durch Stille lindern.

 

Na, das lohnt sich doch wohl! Her mit der STILLE!!

Also lasst den Satz „Es gibt nichts Gutes außer man tut es!“ mal außer Acht und nehmt stattdessen lieber „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Sitzt einfach mal rum und tut nichts :-) Und wenn einer sagt „Nun tu doch endlich mal was!“ könnt Ihr sagen „Ich tue doch etwas: ich verdichte gerade meine graue Substanz im Hippocampus!“ ;-)

 

Wenn Ihr noch mehr über die Gehirnveränderungen durch Stille wissen wollt, hier ist ein sehr informatives Video der Harvard University: Video

Übrigens:
Allein sein in der Stille kann besonders wirkungsvoll sein.
Allein sein, heißt nicht einsam sein.
All...eins..sein..;-)

Strand-Stille

Also, SURF YOUR BRAIN :-)

 

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