Mit mentalem Training Gefühle im Griff haben
Geht das? Oder ist das Kokolores?
von Heike Wycisk
Wie oft haben wir schon gehört,
„Reiss Dich mal zusammen!“
„Sei nicht traurig!“
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“
„Hör auf zu heulen!“
„Lass Dich nicht so hängen!“
„Sei nicht so kindisch und albern!“
„Benimm Dich!“
„Das tut man nicht!“
„Sei nicht so unfreundlich!“
„Zappel nicht so rum! Sitz endlich still!“
„Hör auf zu schreien!“
....
Die Liste könnten wir lustig weiterschreiben und ergänzen ;-)
Schon früh haben wir gelernt, uns zu verbiegen. Damit wir den Ansprüchen der Erwachsenenwelt genügen. Keine sogenannten "negativen" Gefühle zeigen. Das gehört sich nicht. Lächeln ja, wütend sein, nein! Wer Gefühle zeigt, hat keine Selbstbeherrschung und ist schwach. Stattdessen haben wir gelernt, unsere Gefühle unterm Deckel zu halten. Na, herzlichen Glückwunsch! Künstlicher geht es kaum.
Und das Schlimme ist, wir haben solche Sätze als selbstverständlich übernommen und sagen sie auch anderen Menschen, wenn sie „sich gehen lassen“. Und uns selber natürlich auch, wenn wir uns nicht standesgemäß verhalten, was immer das auch heißen mag. Knigge-Benimmregeln lassen grüßen! Allerdings, wer mal ein bisschen recherchiert wird merken, dass das Werk von Knigge "Über den Umgang mit Menschen" verkrüppelt und zu sogenannten "Benimmregeln" umformuliert bzw. fehlinterpretiert wurde. Wir sind inzwischen soweit gekommen, dass wir uns und andere verurteilen, wenn sie ihren Emotionen freien Lauf lassen. Also, alle Gefühle und Emotionen ignorieren und schön zum Zinnsoldaten werden. Haltung bewahren!
Ist es dann ein Wunder, wenn regelmäßig mal einer durchdreht und jemand anderem etwas antut - in Form von emotionaler, verbaler oder körperlicher Gewalt? Oder auch sich selber etwas antut?! Wundert es, wenn Menschen krank werden durch diese Selbstverleugnung? Nein, denn irgendwann bricht der Vulkan aus, wenn wir immer alles wegdrücken und unter den Teppich kehren. Wir können nicht mehr vernünftig miteinander reden, weil die Emotionen dann irgendwann explodieren.
Wir können endlich damit aufhören, uns zu Maschinen zu machen. Aufhören uns zu sagen, dass wir nicht mehr funktionieren. Aufhören von anderen zu erwarten, dass sie sich voll im Griff haben. Aufhören damit, uns zu verurteilen, wenn wir uns über jemanden oder etwas ärgern. Aufhören zu versuchen, unsere Gefühle zu betäuben.
Stattdessen können wir vielleicht einfach mal fragen „Was ist los?“, wenn jemand wütend ist.
Einfach mal zuhören und nichts sagen, wenn jemand traurig ist.
Einfach sich mal mitfreuen, wenn sich jemand freut.
Einfach mal mitleiden, wenn sich jemand weh getan hat.
Einfach mal lachen, wenn jemand gute Laune hat.
Einfach mal da sein, wenn jemand verwirrt und verzweifelt ist.
Einfach mal Traurigkeit fühlen, wenn jemand weint.
Einfach mal Mensch sein!
Geben wir uns doch endlich die Erlaubnis, diese Emotionen zu fühlen. Dann werden wir wie von Geisterhand freundlicher zu uns und zu unserer Umwelt! Das gelingt nicht über Nacht, sondern Stück für Stück, denn wir haben so lange damit gewartet.
Und eins könnt Ihr glauben, mentales Training hilft nicht dabei nicht mehr wütend, ängstlich oder traurig zu sein. Mentales Training hilft dabei, endlich wieder diese Emotionen zu spüren und damit umzugehen!
Es gibt den Spruch „Nur die Harten kommen in den Garten!“ Ich sage, „Die Harten kommen in den Garten und schauen sich als erstes die Radieschen von unten an!“
Also, an alle da draußen: Wir sind Menschen und haben Emotionen! Werdet lebendig!
Surf Your Feelings!