Wie intelligent bist Du?

Bringt ein Intelligenztest Licht ins Dunkel?

von Heike Wycisk

Wir lernen niemals aus – das hat die Gehirnforschung inzwischen gezeigt – Neuroplastizität heißt das Stichwort hierzu. Beim Lernen werden im Gehirn neue Verknüpfungen hergestellt und in die vorhandenen Verbindungen integriert. Das Netz der Synapsen wird also immer größer bzw. vernetzter. Bei jedem von uns. Ein Leben lang....wenn wir denn etwas Neues lernen (wollen). Das klingt doch schon mal toll! Denn jeder von uns ist mit einem Gehirn ausgestattet :-)

 

Aber wie können wir messen, wie intelligent wir sind?

Es kennt wohl jeder den Intelligenztest mit dem der Intelligenzquotient gemessen werden kann. Wikipedia erklärt den Quotient folgendermaßen: „Der Intelligenzquotient (IQ) ist eine durch einen Intelligenztest ermittelte Kenngröße zur Bewertung des intellektuellen Leistungsvermögens im Allgemeinen (allgemeine Intelligenz) oder innerhalb eines bestimmten Bereichs (z.B. Faktoren der Intelligenz) im Vergleich zu einer Referenzgruppe.“

Wenn der gemessene Wert sehr hoch ist z.B. über hundert liegt, dann bist Du angeblich schon relativ intelligent. Liegt der IQ womöglich bei 140 dann bist Du ein Genie, ein zweiter Einstein sozusagen ;-).

Aber das ist natürlich nur EIN Definitionsversuch. Und der ist ziemlich einseitig – denn hier geht es in der Regel in erster Linie um die logisch-mathematische Intelligenz. Aber wir wissen ja, jeder Mensch ist einzigartig! Wie können wir dann versuchen, nur mit Hilfe eines Testes die Intelligenz eines Menschen zu bewerten? Schon lange ist diese Intelligenzmessung unter Experten sehr umstritten (Ist Intelligenz überhaupt „objektiv“ messbar?). Aber in der Allgemeinheit ist dieser Test immer noch sehr im Bewusstsein.

Viele glauben immer noch dieser Kennzahl zur Bewertung der Intelligenz: Ist der IQ hoch bin ich schlau, ist er niedrig bin ich dumm!

Zeit damit aufzuräumen!

 

Welche Formen von Intelligenz gibt es?

Inzwischen haben sich schon viele Wissenschaftler und Experten mit dieser einseitigen Betrachtungsweise befasst und weitere Versuche unternommen Intelligenzen zu beschreiben. Oftmals besitzt ein Mensch auch nicht nur eine Intelligenz. Er kann mehrere und diese in unterschiedlicher Ausprägung – im Vergleich zu anderen Menschen - haben. Hier einige Beispiele, die von Experten beschrieben werden und die eine Coaching-Expertin für Hochbegabte (Anne Heintze) ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistet und sehr anschaulich erklärt hat:  

  • Logisch-mathematische Intelligenz
  • Räumlich-bildliche Intelligenz
  • Körperlich-kinästhetische Intelligenz
  • Intrapersonale Intelligenz
  • Interpersonale Intelligenz
  • Naturalistische Intelligenz
  • Existentielle Intelligenz
  • Emotionale Intelligenz
  • Soziale Intelligenz
  • Spirituelle Intelligenz
  • Physische Intelligenz
  • Kognitive Intelligenz
  • Praktische Intelligenz
  • Professionelle Intelligenz
  • Kreative Intelligenz
  • Vitale Intelligenz
  • Kristalline und Fluide Intelligenz
  • Sprachliche oder linguistische Intelligenz
  • Musikalische Intelligenz
  • ...to be continued

Es gibt also viele weitreichende Intelligenzen oder Kombinationen von Intelligenzen, die in Kindern und Erwachsenen vorhanden sind und nur darauf warten ausgelebt zu werden. Es muss sie jemand nur entdecken!!! Denn durch unser oftmals einseitiges Lernsystem in Schulen (und auch in der Arbeitswelt), gibt es wenige Gelegenheiten, diese zu entdecken und zu entfalten.

 

Viele verschiedene Entdeckungs- und passende LernRÄUME sind notwendig!

Also, weiten wir unseren Blick, damit wir in unserem Gegenüber die Talente und Begabungen erkennen können. Denn damit diese Intelligenzen sich so richtig entfalten können, braucht es geeignete Rahmenbedingungen. Für Kinder heißt es nicht nur Lernräume, sondern Entdeckungsräume - das geht auch mal ohne die Fokussierung auf ein Ergebnis! Dann können sie sich ausprobieren, um zu erkennen, was sie interessiert und worin sie gut sind. Ohne ihnen eine Vorstellung wie sie sein müssen überzustülpen. 

Für Erwachsene heißt es auch im beruflichen Rahmen, ausprobieren. Es gibt Spezialisten, das ist gut. Denn die kennen sich in einem Bereich richtig gut aus. Und es gibt auch Generalisten, die den Überblick behalten und viele Sachverhalte und ihre Verbindung verstehen und sehen, um dann ggf. alle nötigen Experten für eine bestimmte Sache zusammenbringen zu können. Aber vielfach wird im Arbeitsleben nur nach Expertenwissen gefragt. Ein Fehler! Wer soll denn all dieses einzelne wichtige Wissen zusammenbringen und verknüpfen, um neue Dinge entstehen zu lassen?

 

Kann bei so vielen Intelligenzen wirklich nur eine Schulform die Lösung sein?

Das Schulsystem in Deutschland steckt schon länger in einem Dilemma. Alle sind sich einig, dass die Rahmenbedingungen, die in dem klassischen Schulsystem herrschen, nicht für alle Schüler förderlich sind.

Alle Kinder werden dort über einen Kamm geschert. Obwohl jeder – wie oben beschrieben - individuelle Stärken, Talente und Gaben mitbringt. Die klassischen Fächer, denen noch heute eine so enorme Wichtigkeit zugewiesen werden (Mathe, Deutsch, Fremdsprachen, naturwissenschaftliche Fächer...) sind aber nur eine kleine Facette. Es ist inzwischen hinlänglich – oder auch nicht – bekannt, dass nur eingepauktes Wissen wenig bringt. Experten bezeichnen es als befüllen leerer Fässer. Und all das Wissen ist nichts wert, wenn es nicht in einem Kontext erfahren werden kann. Wofür brauchen die Schüler all den Kram, den sie in der Schule lernen? Das können selbst die Lehrer oft nicht beantworten.

Inzwischen wird schon recht lange darüber diskutiert, welche Schulform die beste ist. Es kann aber nicht DIE eine Schulform geben, wenn es so viele verschiedene Intelligenzen gibt. Die Lösung wären viele verschiedene Schulformen. Klar, schwer zu realisieren. Denn dann gäbe es so wenig Vergleichsmöglichkeiten. Der Mensch will sich ja immer vergleichen, so ein Blödsinn! Geht ja objektiv gesehen gar nicht! Angeblich belebt Konkurrenz das Geschäft. Und es soll zur Motivation beitragen. Auch Blödsinn! Wenn sich jemand für etwas interessiert, dann ist das Interesse die Motivation! Es wäre ja auch mal eine Idee, diese ganzen Vergleichsversuche beiseite zu lassen. Denn es kann überhaupt keine objektiven Vergleiche geben, wenn wir doch alle so verschieden sind. Zu den verschiedenen Intelligenzen kommen dann ja noch diverse andere Einflussfaktoren, die einen Menschen zu dem machen der er ist bzw. zu dem er werden könnte.

 

Was ist mit Freilernern?

Neben den verschiedenen Schulformen, die schon vorhanden sind (siehe beispielsweise hier), gibt es ja auch noch das Freilerner-Prinzip. Viele glauben tatsächlich, dass das nicht funktioniert. Das man Kinder immer zum Lernen treiben muss. Aber alle Experten bestätigen inzwischen, dass der Wunsch nach Entwicklung und Entfaltung in jedem Menschen angelegt ist. Und wenn er nicht mehr vorhanden ist, dann kann es daran liegen, dass diesem Menschen nicht der richtige Rahmen geboten wurde und/oder ihm ggf. der Spaß am Lernen verdorben wurde. Arno Stern hat sich schon sehr früh mit dem Freilernen beschäftigt (hier ein Interview mit Arno Stern). Sehr interessante Entdeckungen, die er gemacht hat! Allerdings ist dieses Prinzip in Deutschland problematisch in der Umsetzung, da  eine gesetzliche Schulpflicht besteht. Die Erkenntnisse aus dem Konzept öffnen aber vielleicht dem einen oder anderen die Augen, wie es auch anders gehen könnte.

 

Es gibt verschiedene Lerntypen!

Neben all diesen Intelligenzen beschreiben Gehirnexperten auch noch verschiedene Lerntypen. Dabei spielen die Sinne eine große Rolle. Manche lernen besser, wenn sie sich etwas anhören, andere wenn sie selber lesen, andere wenn sie sich dabei bewegen, andere müssen Dinge spüren und erleben. Und das ist natürlich auch abhängig davon, was man gerade lernt. Ist es eine Bewegung, ein Text, ein Zusammenhang, ein Lied, ein Handwerk.....? 

 

Es wäre doch sehr schön, wenn immer mehr Menschen ihre Sichtweise auf das Schulsystem und die Lernmöglichkeiten weiten könnten und sich nicht darum streiten, wie das EINE perfekte Schulsystem aussehen müsste. Und, wenn viele den Blick auf die Intelligenzeinordnung verändern könnten. Es müsste darum gehen, möglichst viele verschiedene LernRÄUME aufzubauen, um jedem Menschen die stimmigste Form des Lernens zu ermöglichen.

 

Damit könnte jeder sein Wesen frei entfalten und zu einem erfüllten, glücklichen und zufriedenen Menschen heranwachsen und zudem einen Beitrag für unseren Planeten und alle Lebensformen leisten.

Utopisch? Ich glaube nicht!

Aloha! (Kennt Ihr die Bedeutung von Aloha? Nicht? Hier könnt Ihr es nachlesen.)

Surf Your Brain!

 

Bildtitel: Intelligenzquotient
Illustration: Heike Wycisk

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